24 Stunden in der Halongbucht

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Meine glücklichsten Stunden in Neuseeland verlebte ich an Bord eines Schiffes in der Bay of Islands. Wir aßen gut, gingen Kayakfahren, angelte, hielten nach Delfinen Ausschau, schnorcheln, schwammen und wanderten auf einer kleinen Insel. Wir sahen der Sonne beim Untergehen zu, paddelten nachts durch phosphoreszierende Algen, saßen zu Gitarrenmusik bei Kerzenschein zusammen und schliefen zum Wellenschaukeln ein. Auch wenn die Crew des Schiffes das gleiche Programm jeden Tag absolvierte, so ließen sie uns das nie spüren. Das waren unsere besonderen Stunden und sie durften sie uns schenken. Es war ein Fest!

Dieser Erinnerung schien ich noch nachzuhängen, als ich die Tour mit Übernachtung in der Halongbucht buchte. Ich wusste inzwischen schon, wie das Tourigeschäft hier in Vietnam läuft, aber ich war hoffnungsvoll, dass sogar die durchorganisierte Seelenlosigkeit des vietnamesisches Tourismus mir diesen Ausflug nicht komplett zerstören konnte.

Die Halongbucht ist ein Gebiet im Norden Vietnams, in dem knapp 2.000 Kalkfelsen ins Wasser ragen. Manche von ihnen sind mehrere hundert Meter hoch und einige sogar bewohnt. Die Bucht ist so einzigartig, dass die Unesco sie 1994 zum Weltnaturerbe erklärte. Und soetwas muss man doch einfach anschauen.

Ich wartete über eine Stunde auf die Abholung, mitten auf der Straße in der Altstadt Hanois, mit der ich bisher nur seltenen, kurzen Kontakt gehabt hatte. Dort bekam ich einen Vorgeschmack auf das Spektakel, das mich erwartete. Unzählige Busse mit Touristen fuhren an mir vorbei, an den meisten stand „Halongbay“. Nur mein eigener ließ auf sich warten.

Als er endlich kam, stellte sich der brummige Guide nicht vor und im Bus musste erst ein Sitz für mich von Gepäck befreit werden. Nach zehn Minuten drehte der inzwischen grinsende Guide dann allerdings so richtig auf – mit Witzen, die über all die Male, die sie bereits erzählt worden waren, abgegriffen und verbraucht wirkten. Die Mitreisenden sprangen nicht darauf an, was den Guide zu noch dümmeren Sprüchen zu animieren schien und mir das Gefühl gab, zumindest unter Gleichgesinnten zu sein.

Nach einem Mittagsstopp in einem Shop aus der Tourihölle erreichten wir den Hafen, wo wir auf unser Schiff geschifft wurden. Ab da war alles gut, denn die Schönheit der Bucht machte es möglich, den Guide und seinen wankelmütigen, aber immer stressenden Zeitplan auszublenden.

Wie alle anderen Besucher der Bucht wohl auch, wurden wir ausgeschifft, um eine Höhle zu besichtigen, die zugegebenermaßen wirklich sehenswert war. Den Pseudo-Erklärungen des Guides zu lauschen war hingegen überflüssig.

Anschließend gingen viele unserer Gruppe an einen Strand, während ich mit drei anderen zum Kayakfahren gebracht wurde. Was für eine weise Entscheidung, denn der kurze Kayaktrip war großartig! DD aus Hongkong und ich paddelten durch eine Höhle unter einem Berg hindurch in einen steilen Krater, wo wir uns still in der Sonne schaukeln ließen.

Als wir pünktlich wieder durch die Höhle hinauspaddelten, winkte uns der Guide schon wieder aufgeregt herbei.

Zurück an Bord unseres Schiffes erwarteten wir den Sonnenuntergang über der Bucht. Die angepriesene Happy Hour mit Weinprobe entpuppte sich glücklicherweise als ein Schnapsgläschen mit süßem Rotwein mit zwei Stückchen Wassermelone pro Person. Und schon hatten wir wieder unsere Ruhe auf dem Sonnendeck. 

Ich fragte mich, ob es eine Auflage ist, dass alle Ausflugsboote gemeinsam im selben Teil der Bucht vor Anker gehen oder ob es daran liegt, dass Asiaten gerne im Trupp unterwegs sind und ihnen meine Sehnsucht nach Einsamkeit und Stille unbegreiflich ist.

Nach dem Abendessen gab es die wohl in Vietnam obligatorische Karaokeparty, bei der ich dank der aufmunternden Unterstützung durch die so wunderbar singende Line tatsächlich meine Karaoke-Premiere hatte. Den Rest des Abends verquatschten wir unter freiem Himmel an Deck.

Am Morgen hatte ich das Glück, dass mich meine innere Uhr zuverlässig um kurz vor fünf weckte. Pünktlich zum Sonnenaufgang schlich ich mich im Schlafanzug an Deck – und hatte die stille Halongbucht im morgendlichen Zauberlicht für mich ganz allein.

Nach dem Frühstück – schnell, schnell, schnell – wurden wir mit dem Beiboot zu einer Perlenfarm geschippert (wobei drei empörte Bummelfritzen konsequent an Bord zurückgelassen wurden). Die Perlenfarm war überraschenderweise sehr interessant, was aber weniger an der routinierten Kurzführung lag, sondern eher an meinem Solostreifzug über die Planken, die ich dem Besuch des Schmuckladens vorzog.

Das war der letzte Tagesordnungspunkt auf unserem Programm. Danach steuerten wir das Festland an und bekamen dazu noch ein erstaunlich leckeres Mittagessen vorgesetzt. Die Wunder der Halongbucht zogen vor dem Fenster vorbei und innerlich winkte ich ihr zu. Noch einmal durchatmen (während uns die Teller unter unseren Stäbchen abgeräumt wurden) und Abschied nehmen. Dann zurück zur Wartehalle, ab in den Bus und auf gen Hanoi. 

Obwohl ich mit der netten Gruppe großes Glück gehabt hatte und mir die Bay gut gefallen hat, brauche ich jetzt erstmal wieder Erholung von dieser Touri-Tour. Als kostbarste Erinnerung nehme ich die Bucht im Morgenlicht mit. Trotz allem also ein lohnender Ausflug.



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