Die Atacama-Wüste: Acht Lagen Glück

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Was ist es, das mich so fasziniert und begeistert an Wüsten? So sehr, dass ich unbedingt spontan in die Atacama fliegen musste? Zuerst fand ich mich ein bisschen übertrieben. Jetzt spinne ich endgültig, dachte ich kurz. Muss das denn unbedingt auch noch sein? Kannste dafür nicht einfach noch mal wiederkommen? Nein, auf später verschieben ging nicht. Es musste noch die Atacama sein, die trockenste Wüste der Welt, jetzt!

So flog ich sehr spontan von Santiago nach Calama. Schon der Flug über die Anden war gigantisch. Keine Sekunde, keinen Meter wollte ich von diesem Wunder verschlafen. Schneebedeckte Gipfel, Wolken in den Tälern … und dann die Wüste!

Von Calama aus fuhr ich nach San Pedro, mitten ins Herz der Atacama. Seit meinem Tag an der Skelettküste weiß ich, dass es in Wüsten Leben gibt, viel Leben, man muss nur danach schauen. Und so schaute ich. Auf meinen ersten Kilometern sah ich – quasi nichts. Steine, Schotter, Felsen, Ebene. Ob es nicht doch eine dämliche Idee gewesen war herzukommen, mal wieder unvorbereitet? Am blauen Himmel zogen Wolken, die gar nicht nach Schäfchen aussahen. Am Horizont schneebedeckte Berge – waren das noch die Anden? Und dann sah ich Fatamorganas, dabei war es gar nicht heiß. Flimmernder Wüstenboden und Berggipfel, die scheinbar aus einem See ragten. Aus der Sicherheit des klimatisierten Wagens mit Handy und Satellitentelefon starre ich aus dem Fenster. Der Himmel! Die Weite! Diese rauhe Schönheit aus schroffen Felsen und glattgewindetem Sandboden. Die Atacama hatte mich!

Und dann änderte sich die Landschaft. Grüne Büsche ließen sich zwischen den Steinen sehen. Dann überzog ein zartgrüner Teppich die Ebene bis zu den Bergen am Horizont. Und dann änderte sie sich wieder und war wieder grau und grau. Und dann änderte sie sich wieder. Und wieder. Ebenen wichen Felsenmeeren, wichen Sanddünen, wichen Steinhaufen, wichen Büschen, wichen Bergen.

Bis wir in San Pedro ankamen, wusste ich genau, warum ich hier war. Weil die Atacama großartig, spannend, überraschend ist. Ich flitzte in den Ort, um mir meine Touren für den nächsten Tag zu organisieren. Doch da überraschte mich die Wüste schon wieder: Für den kommenden Tag war starker Wind angekündigt. Wahrscheinlich würden alle Ausflüge kurzfristig abgesagt. Kein seriöser Anbieter wollte mir eine Tour verkaufen. Tja, damit hatte ich nicht gerechnet.

Als ich nachts durstig und mit Kopfschmerzen aufwachte, wusste ich, dass es die Wüste nur gut mit mir meinte. Ein Akklimatisierungstag in San Pedro auf 2.500 Metern Höhe bevor es bei den Touren hinauf auf über 4.200m ging, war eine ziemlich gute Idee. Am nächsten Tag lernte ich bei der Stadtführung auch meine San-Pedro-Gang kennen, mit denen ich die nächsten Tage verbringen würde. Wir besuchten das Meteoritenmuseum, ließen uns das Hirn verdrehen und gingen anschließend etwas essen. Der Beginn einer wunderbaren Reisefreundschaft.

In den nächsten Tagen lief für mich dann wieder alles perfekt: Das Wetter war super und meine Ausflüge konnte ich genauso buchen, wie ich mir das wünschte. Ich sah mir zuerst die roten Steine und bunten Felsen von Pierros Rojos an und einen See, der vor lauter Mineralien wie Eis glitzerte. Später spazierte ich durch das Regenbogental und durch das Tal des Mondes.

Ich beobachtete Flamingos in Lagunen, Wüstenfüchse in den Büschen, Chinchillas zwischen den Felsen und Wasservögel im Brachland. Ich lernte den Unterschied zwischen Vikunjas und Guanakos, stieg in Schluchten hinab, erklomm Dünen, kletterte über Felsen und robbte durch Höhlen. Ich sah mir Hieroglyphen an, die vor hunderten von Jahren in den Fels geritzt worden waren, sah einige der 200 chilenischen Andenvulkane, schlenderte durch Wüstendörfer und wunderte mich über kreuzlose Kirchen voller Heiligenpuppen.

Nachts fuhr ich hinaus, um mir die Milchstraße und das Skorpionbild über der Wüste anzusehen und im Teleskop Andromeda und Jupiter mit seinen Ringen zu bestaunen. An meinem letzten Morgen stand ich super früh auf, um bei minus 7 Grad den Sonnenaufgang am drittgrößten Geysirfeld der Welt zu erleben. Dank meiner acht Kleidungsschichten, eines improvisieren Überrocks und meiner frisch in Santiago erstandenen Handschuhe fror ich dabei erstaunlich wenig.

Während all dieser Wunder habe ich Antworten gefunden: Ich liebe Wüste, weil sie mir zeigt, wie stark Leben ist. Weil sie das Beste aus dem macht, was sie hat. Weil sie Weite kann und enge Schluchten, weil das Leben explodiert, wo es kann, weil die Felsformationen Jahrmillionen zum Wachsen brauchten. Weil sie mich immer wieder überrascht, weil meine Augen in der Weite zur Ruhe kommen und mein Geist. Weil sie zeigt, was alles möglich ist, was Menschen schaffen können und das Leben vibriert. Weil es Grenzen gibt. Weil sie mir meine Grenzen zeigt, meine Sterblichkeit, die Unendlichkeit und all meine Möglichkeiten. Am Ende haben wir uns zugenickt, die Atacama und ich, und wir wissen beide, dass das alles gut so ist.



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