Drei besondere Bibliotheken in Manchester

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Manchester hatte ich mir immer als häßliche Industriestadt vorgestellt, aber ich wurde bei meinem allerersten Besuch gleich eines Besseren belehrt. Manchester ist nicht nur quirlig, liebenswert-schnodderich und schön, es ist auch eine Stadt der Wissenschaft – und somit auch der Bibliotheken. Drei ganz besondere, die ich auf meinen Streifzügen durch „Cottonopolis“ entdeckt habe, möchte ich euch vorstellen. Obwohl die Stadt noch viel mehr zu bieten hat, rechtfertigen schon allein diese tollen Bibliotheken eine Reise in den Norden Englands.

Central Library

Die Zentralbibliothek von Manchester ist eine lebendige, sehr moderne Bibliothek, die trotzdem perfekt in das historische Gebäude passt, in dem sie sich befindet. Man betritt die Bibliothek, die von außen an das Pantheon errinnert, über eine breite Treppe zwischen mächtigen Säulen hindurch. Dann kommt man in den imposanten Eingangsbereich mit einer hohen, bunt verzierten Kastendecke und weiter durch hölzerne Schwingtüren in die große Halle.

Hier gibt es (neben ersten Büchern) eine interaktive Ausstellung zur Geschichte der Stadt und ein virtuelles Archiv, das man über einen riesengroßen Touchscreen an der Wand erforschen kann. Auch die Tische des Cafés haben Bildschirm-Tischplatten, mit denen man mehr über Manchester und die Bibliothek erfahren kann. Außerdem hat das Café natürlich auch noch ordentlichen Kaffee.

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Über breite Steintreppen gelangt man ins Obergeschoss. Hier in der Mitte befindet sich ein großer runder Arbeitsraum mit gläsener Kuppel und entzückenden Lampen an jedem Platz, in dem man in ruhiger Atmosphäre seinen Studien nachgehen kann. Unnötig zu erwähnen, dass es im ganzen Haus freies WLAN gibt. Außen um den Arbeitsraum herum befindet sich die musikalische Bibliothek, in der es neben Noten und Lehrbüchern auch Instrumente gibt, die man vor Ort nutzen kann. An den Gruppenarbeitsplätzen wird gearbeitet und diskutiert. Diese Abteilung klingt dann ungefähr so:

Noch viel mehr Bücher gibt es im Untergeschoss, wo sich auch eine Kinderecke und natürlich wieder viele Arbeitsplätze befinden. Besonders auffällig und interessant fand ich die vielen Regale mit „Community Languages“, in denen Bücher auf Urdu, Russisch, Spanisch, Polnisch, Italienisch, Arabisch, Deutsch und sehr viele auf Chinesisch stehen. Spätestens hieran merkt man, dass die Central Library ein lebendiger Teil Manchesters ist.

Chetham’s Library

In der Chetham School of Music befindet sich ein weiteres Schmuckstück Manchesters: die älteste öffentliche Bibliothek des Vereinigten Königreichs. Seit 1653 werden in der die Chetham Bibliothek Bücher gesammelt und genutzt. Am Eingangstor der Musikhochschule erhält man einen Sticker als Zugangsberechtigung und kommt dann durch einen Torbogen in den Innenhof des Colleges. Immer dem Pfeil Richtung Bibliothek folgend betritt man schließlich Baronial Hall, in dem sich die Bibliothek befindet, geht durch altehrwürdige Gänge, erklimmt eine schmale Holztreppe und steht dann mitten zwischen den Bücherregalen.

Von zwei Gängen sind die hohen Regale mit den Buch-Schätzen durch hölzerne Schwingtüren abgetrennt. Den Duft der Geschichten und des Wissens halten diese Türen aber nicht auf. In den ersten Jahren waren sogar alle Bücher der Bibliothek angekettet. Im Leseraum findet sich noch ein Schrank, in dem man einen Eindruck davon bekommt, wie das Arbeiten mit diesen angeketteten Büchern ausgesehen haben könnte. Gleich neben der Treppe steht eine alte Druckerpresse und ein Setzkasten mit Bleibuchstaben, die wunderbar in das altehrwürdige Ambiente passen.

In dieser Bibliothek trafen sich im Sommer 1845 übrigens Karl Marx und Friedrich Engels regelmäßig, um gemeinsam zu forschen. Die Ökonomie-Bücher, die Marx hier nutzte, sind in einem extra Regal ausgestellt. Die Forschungen und Diskussionen der beiden Deutschen in dieser Bibliothek bildeten die Grundlage für Das Kommunistische Manifest (1848).

John Rylands Library

Von allen Mancunian, mit denen ich über sie sprach, wurde die John Rylands Library nur die „Harry-Potter-Bibliothek“ genannt. Sie befindet sich mitten in der Stadt. Enriqueta Rylands ließ sie zu Ehren ihres verstorbenen Mannes John erbauen, der der erste Multimilionär Manchesters war – was so einiges erklärt. Die Bibliothek wurde am 1. Januar 1900 eröffnet und an die Bürger Manchesters übergeben. Sie war das erste Gebäude der Stadt mit Elektizität und nicht nur dadurch ein ziemlich tolles Geschenk.

Bevor man in den eigentlichen Lesesaal im zweiten Stock kommt, gibt es in der Rylands Gallery im ersten Stock wechselnde Ausstellungen zu bestaunen, die das Herz eines historisch interessierten Buchliebhabers höher schlagen lassen: die erste Shakespeare Gesamtausgabe (First Folio), zum Beispiel, oder Papyrus-Fragmente des Johannes-Evangeliums, die mit die ältesten erhaltenen Teile des Neuen Testaments sind.

Man betritt den historischen Lesesaal, der einer Kirche gleicht, durch eine kleine Seitentür und der Blick weitet sich Schritt für Schritt in den eindrucksvollen Raum. An den Enden des Saales stehen Statuen von Mrs und Mr Ryland, die sich über den großen Raum hinweg ansehen. Es liegen Handspiegel bereit, damit man die hohe Decke ohne Nackenstarre bewundern kann. In der Mitte stehen Schaukästen mit besonderen Ausstellungsstücken und Landkarten aufgereiht; In den Seitenschiffen stehen die wunderbaren Bücher hinter Gittern und Glas geschützt (was in Ordnung geht, weil hier bestimmt viele Menschen versucht sind, einfach mal mit dem Finger an den Buchrücken entlangzufahren …).

Obwohl die John Rylands-Bibliothek in diesem wunderschönen, kathedralen-ähnlichen Gebäude ist, wirkt sie nahbar und kein bisschen einschüchternd. Es gibt hier keinen Sicherheitsabstand zu den Büchern, so dass man frei zwischen den Regalen herumstreifen und dabei die reichen Schätze, die hier verborgen liegen, flüstern hören kann.

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Bildnachweis:
Alles meins – bis auf die schönsten Fotos aus der John Rylands Library (2, 3, 5, 6). Die sind von Michael D Beckwith, CC 0.



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