Seelenloses Singapur

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Bei meiner Ankunft hat mich Singapur geflasht. Bis ich mir meinen Einreisestempel abgeholt hatte – freundlich, schnell, lächelnd, spielchenfrei – kam mein Gepäck schon um die Ecke. Noch einmal durchleuchten und schon fertig. Keine 20 Minuten nach der Landung trat ich aus dem Zollbereich und sofort wiesen mich große Schilder in die richtige Richtung. Im Bus hatte ich dann das Geld nicht passend und es gab kein Wechselgeld. Aber kein Problem: Für meine zwei Singapur-Dollar bekam ich das Ticket in die Stadt ausgehändigt, das eigentlich zweieinhalb Dollar gekostet hätte. Singapur kann es sich als eins der reichsten Länder der Welt wohl leisten, großzügig zu sein.

Und dann fuhr ich über sonnige palmengesäumte Alleen, in deren Mitte blühende Büsche wuchsen, am Ozean entlang. Palmen wichen Bäumen mit weit ausladender Krone. Dazwischen akurat geschnittenes Gras. Alles sauber, organisiert, unaufgeregt. Und jeden Abend erwartete mich eine Lichtshow. Warum sollte ich hier jemals wieder weg wollen? Doch ich wollte wieder weg, bereits sechs Stunden später.

Es fing damit an, dass sie mich bei meiner ersten Stadterkundung dauernd gängelten. Das finde ich grundsätzlich anstrengend. Und mich im Nationalmuseum eine Viertel Stunde vor Schließung nicht mehr in den nächsten Ausstellungsraum ließen. Aus Prinzip. Auch in der Stadt überall Zäune, Regeln, Drohungen, Polizisten, Verbote. Hier nicht lang, nein, da geht’s lang. Nicht abbiegen, nicht anfassen, nicht essen, nicht trinken. Wir sehen alles! Und betreten Sie bloß nicht den Rasen. Haben Sie etwas Verdächtiges gesehen? Melden Sie es!

Nach für nach merkte ich auch, dass die Menschen in Singapur einen hohen Preis zu zahlen scheinen für die Perfektion, den Glitzer und all ihr Geld: Kreativität, Leichtigkeit, Lebensfreude fehlen dieser Stadt. Singapur scheint seine Seele und seine Atmosphäre dem Mamon verkauft zu haben – falls es jemals welche hatte.

Im botanischen Garten muss man extra, fast entschuldigend erklären, warum da Blätter (sogenannter „Blattmüll“) unter den Bäumen liegen dürfen. Sogar die Hinterhöfe und Anliefergassen sind sauber. Nur in Little India tanzen die Menschen ein bisschen aus der Reihe und setzen sich auf das pingelig geschnittene Gras. Rebellion! Es soll mindestens ein Viertel geben, in dem es etwas ungeordneter zugeht als im Zentrum. Dorthin habe ich es nicht geschafft.

Der wunderschöne botanische Garten (übrigens ein UNESCO-Weltkulturerbe) hat mich am Abend des zweiten Tages auch wieder ein bisschen versöhnt mit dieser Stadt: Erst kamen am Spätnachmittag Familien, die sich auf große Plastikdecken setzten und deren Kinder lachend über den perfekt getrimmten Rasen tobten. Und dann traf ich zwei Menschen meines Alters, die eine voll besetzte ferngesteuerte Playmobilarche und ein Feenboot auf einem kleinen See fahren ließen, und unterhielt mich länger sehr nett mit ihnen. Später entdeckte ich noch eine Mangafotosession im Evolutionsgarten. Und auch, wenn das so gar nicht meine Welt ist, machte mir das Hoffnung. Es sind halt doch, die Menschen, die eine Stadt ausmachen. Vielleicht habe ich davon nicht genügend kennengelernt.

Versteht mich nicht falsch: Singapur ist toll – auf seine eigene Weise. Vielleicht hat jede Stadt ihre Zeit und Singapur passt grade einfach nicht so richtig zu mir. Vielleicht werde ich wiederkommen, um in den Annehmlichkeiten dieser Stadt zu schwelgen und dann hinter die saubere Fassade blicken können. Aber jetzt sage ich: nur drei Tage. Länger darf man hier nicht bleiben. Sonst glaubt man noch, die Welt sei wirklich so. So klein. So akurat. So getrimmt. So steril. So aufgeräumt. So leidenschaftslos. So perfekt. So angepasst. Und das ist keine Welt, in der ich leben möchte.



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