Tod und ganz viel Leben an der Skelettküste

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Schon beim Flug nach Kapstadt sah ich aus dem Flugzeug die Skelettküste als breiten weißen Streifen an der afrikanischen Westküste und war fasziniert davon – ohne zu wissen, was genau ich da eigentlich sah. Zweieinhalb Wochen später war ich im namibianischen Swakopmund und machte von dort aus einen Ausflug hinaus zur Skeleton Coast, einer der lebensfeindlichsten und gerade deswegen beeindruckendsten Landschaften, die ich je gesehen habe.

Anders als das kalifornische Death Valley trägt die Skelettküste ihren Namen zurecht. Da das Land hier sehr flach ist und die Wüste bis ans Meer ragt, bietet die Küstenlinie für Seefahrer keinerlei Orientierungspunkte. Das Meer ist hier ebenfalls sehr flach, felsig und wild. Außerdem herrscht in dieser Region oft Nebel, sodass hier seit jeher Schiffe zu nah ans Ufer geraten, auflaufen und kentern. Die Skeleton Coast gilt auch als größter Schiffsfriedhof der Welt. Selbst wenn es Mitglieder der Besatzung früher ans Ufer schafften, waren ihre Überlebenschancen quasi Null, denn es gibt hier wenig Nahrung und kaum Frischwasser – auch wenn die zahlreichen Fata Morganas (die ich hier zum ersten Mal so eindrucksvoll erlebte) etwas anderes verheißen.

Schiffswrack mit Kormoranen vor der Skelettküste Namibias

die Weite der Skelettküste in Namibia

Der Boden der Skelettküste ist eine riesige Salzpfanne. Es gibt Salzseen, an deren Rändern sich dicke Krusten abgesetzt haben, von denen uns unser Guide große Kristallbrocken ablöste. Kommerzielle Salzwerke erschließen diesen Reichtum. Die Straßen in der Gegend erweisen sich bei näherem Hinsehen als Salzpisten, die gelegentlich mit Wasser eingeweicht werden, um sie glatt zu ziehen. Diese praktische und effiziente Nutzung der Ressource hat mich wirklich verblüfft.

Salzsee an der Skelettküste Namibia

Und obwohl das hier alles so lebensfeindlich erscheint, steckt diese Region doch voller Leben. Seevögel nutzen die Wracks als Brutstätten und der Fischreichtum ist legendär. Wenn man genau hinsieht, gibt es auch Leben am kargen Wüstenboden: niedrige Büsche, Käfer, Chamäleons, Geckos und jede Menge Flechten. Die Pflanzen und Tiere bekommen ihre Feuchtigkeit durch den Nebel, der sich oft über dieses Gebiet legt. So kommen im Jahr einige Liter Niederschlag zusammen. An meinem heißen und trockenen Wüstentag fühlte sich das aber nicht so an.

Chamäleon unter einem Strauch an der Skelettküste

Ausgerechnet die Flechten zeigen aber auch, wie empfindlich diese Wüste ist – obwohl sie doch so mächtig erscheint. Schon die alten Handkarren zogen Spuren der Verwüstung durch den Boden, die auch über ein Jahrhundert später noch zu sehen sind. Die heutigen illegalen Quad- und Autofahrer, die da mal eben so zum Spaß durch die Wüste heizen, zerstören ein einzigartiges Ökosystem.

Hügel an der Skelettküste

Am Scheitelpunkt unserer Tour erreichten wir Cape Cross. Dort befindet sich eine riesige Pelzrobben-Kolonie. Und wenn ich riesig schreibe, meine ich eigentlich gigantisch: Bis zu 300.000 Tiere leben hier. Normalerweise liegen die Robben oft faul rum und sonnen sich, aber ich war zur Geburtenzeit Ende November dort: Überall hopsten kleine schwarze Robbenbabys herum und riefen nach ihren Mamis, die ebenfalls nach ihren Babys riefen.

Robbenkolonie an Cape Cross

Der Pfad für Besucher führt auf Holzplanken mitten hinein in die Kolonie, aber wir merkwürdigen Zweibeiner stören die Robben gar nicht. Sie nahmen keinerlei Notiz von uns Besuchern und lagen direkt am und unter dem Steg.

Die Robbenmütter schnappen sich ihren Nachwuchs einfach mit dem Maul, um ihn abzutransportieren – und schleudern die Kleinen dabei ziemlich rum. Es macht schon Sinn, dass man den Ausdruck „sanft wie eine Robbe“ noch nie gehört hat. Da bereits sechs Tage nach der Geburt wieder die Paarung stattfindet, konnten wir neben ganz neu geborenen Robben auch schon wieder Nachwuchszeugungen beobachten – kein Spaß für Frau Robbe. Die eigentliche Paarungszeit mit ihren Bullenkämpfen stand aber noch bevor.

Das Wasser vor der Küste brodelt von all den Tieren, die darin schwimmen und tauchen. Es ist unmöglich, die Robben in all dem Gewühl und Gewatschel zu zählen. Neben dem sehr beeindruckenden Spektakel in der Kolonie, das ich mir stundenlang hätte ansehen können, war übrigens auch der Geruch sehr beeindruckend.

Wie so oft in der Natur liegen auch hier Leben und Tod nah beieinander: Wenn die Mütter jagen gehen oder sich abkühlen, finden sie hinterher ihre Babys manchmal nicht wieder. Auch werden die Babys einfach von einem Bullen plattgedrückt, wenn sie ihm gerade zufällig im Weg rumliegen. Die Sterblichkeitsrate der Babyrobben liegt bei 30%. Die Schakale, die in der Nähe der Kolonie leben und immer mal auf Stippvisite vorbeikommen, freuen sich darüber.

Für mich war der Ausflug zur Skelettküste der intensivste Tag, den ich auf meiner ersten Afrikareise erlebt habe. Die Kargheit und die Kraft dieser Region haben mich begeistert. Die Skelettküste zeigt eindrucksvoll die Widerstandskraft des Lebens und hat mich daran erinnert, wie zerbrechlich gerade unseres ist.



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