Die eine Hälfte unserer kleinen Reisegruppe zog ernsthaft in Erwägung, mal eine Kreuzfahrt zu unternehmen. Ich war da ja sehr skeptisch, aber auf unserer Nordexpedition bot sich die Gelegenheit, das Kreuzfahren einfach mal einen Tag lang unverbindlich zu testen. Und zwar mit der legendären Hurtigrute.
Seit 1893 verbindet die „Schnelle Linie“ die Häfen Norwegens miteinander. Ursprünglich als Postschiffe gestartet, fungieren sie heute noch als eine Mischung aus Fracht-, Passagier- und Kreuzfahrtschiffen, die in sechseinhalb Tagen von Bergen bis hinauf nach Kirkenes an der russischen Grenze (und umgekehrt) fahren.
Wir waren sehr gespannt auf unsere Mikro-Kreuzfahrt, die uns von Stokmarknes auf den Vesterålen nach Svolvær, der Hauptstadt der Lofoten, bringen sollte. Schon am Abend vorher beobachteten wir das nordwärts und das südwärts fahrende Hurtigrutenschiff bei ihren Einfahrten in die Bucht von Svolvær, wo wir Quartier bezogen hatten.
Am nächsten Morgen fuhren wir mit dem Linienbus in Richtung Stokmarknes, von wo aus uns unser Hurtigschiff am Nachmittag zurück nach Svolvær bringen sollte.
In Stokmarknes besuchen wir natürlich das Hurtigruten-Museum, das uns in die richtige Kreuzfahrerstimmung brachte. Wenn schon, denn schon. Das Museum zeigt die Entwicklung von den Anfängen der Postroute in den hohen Norden bis zum Luxusliner und war auch tatsächlich sehr interessant.
Zum Museum gehört auch die ausrangierte Finnmarken, die zwar gerade restauriert wird, auf der wir uns aber relativ frei bewegen konnten. Mit den winzigen spartanischen Kabinen und den Gemeinschaftsduschen versprüht sie statt Kreuzfahrtidyll eher einen fiesen 70er-Jahre-Gefängnis-Charme.
Gegen 15 Uhr kam unsere Hurtig in Sicht, die MS Nordkapp. Natürlich gingen wir sofort an Bord, während die Kreuzfahrtpassagiere von Bord gingen, um das Museum zu besuchen. Das Einchecken war schon sehr schick und wir bekamen Chipkarten mit unseren Namen. Dann erkundeten wir das Schiff. Noch bevor wir in See stachen hatten wir einen guten Überblick über die verschiedenen Decks und wussten, wo sich die Bar, der Salon, das Café und die Whirlpools befanden.
Pünktlich auf die Minute hieß es: Leinen los! Ab da saßen wir eigentlich nur noch an Deck und ließen es uns windgeschützt unter einem Glasdach gutgehen. Zum Panorama der wunderschönen Landschaft tranken wir guten norwegischen Kaffee. Das Wetter waren uns auch hold und schickte uns neben nordisch-frischen Winden auch ganz viel Sonnenschein.
Das landschaftliche Highlight der Strecke war der Abstecher in den Trollfjord. Die Einfahrt ist nur 100 Meter breit und die steilen, hohen Berge scheinen an manchen Stellen zum Greifen nah. Die mächtigen Schiffe müssen bis zur breitestens Stelle am Ende des Fjords fahren, um wieder wenden zu können. Zur Unterhaltung der Passagiere drehte sich unsere MS Nordkapp gleich dreieinhalbmal um die eigenen Achse.
Auf dem letzten Kilometer nach Svolvær erlebte ich dann mein persönliches Highlight: Über der Schiff kreisten plötzlich Seeadler, die ich bisher nur von Ferne bewundert hatte. Einer kam so tief über das Deck, dass ich mich beim Blick nach oben Aug in Aug mit dem riesigen Vogel sah, der direkt über mir schwebte. Der Adler hatte wohl eine Flügelspannweite von gut zwei Metern – und einen stechenden Blick. Ein beeindruckendes Erlebnis! Und auch ein bisschen beänstigend, muss ich zugeben. Bei all meiner ornithologischen Liebe musste ich doch kurz an Hitchcock denken. Aber dann siegten die Faszination und die Glückshormone.
Unsere Mikro-Kreuzfahrt von Stokmarkens bis Svolvær war wunderbar: großartige Landschaft, ein schönes, modernes, unaufgeregtes Schiff, nette Gesellschaft, tolles Wetter und ein paar Adler. Aber wir sind uns einig: So eine richtige Kreuzfahrt hat noch ein paar Jährchen Zeit. Außerdem haben wir die Highlights der gesamten Hurtig-Strecke ja bereits gesehen. Was sollte da noch kommen?
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Die Hurtigrute fährt auf der Südroute täglich in drei Stunden von Stokmarknes nach Svolvær und macht dabei im Sommer einen Abstecher in den Trollfjord. Es empfiehlt sich, die Karten vorher zu reservieren, aber man kann auch einfach an Bord gehen. Die Schiffe der Hurtigrute fungieren weiterhin als Transportschiffe und haben einen strengen Zeitplan. Gewartet auf trödelige Touristen wird nicht. Reservierungen und Fahrpläne unter hurtigruten.de.
Bildnachweis: Das Foto des Seeadlers „White-tailed eagle“ ist von Littleisland lighthouse (CC BY-SA 2.0).