Mein allererster Urlaub zu Hause

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Ja, diesen Urlaub hatte ich mir sehr anders vorgestellt. Eigentlich wollte ich endlich, endlich zwei meiner Lieblingsmenschen in Barcelona wiedersehen, die ich auf meiner großen Reise in Indonesien kennengelernt hatte, und ihr neuestens Familienmitglied treffen. Und eigentlich wollte ich bei der Gelegenheit Bartgeier in den Pyrenäen sehen und unterwegs mal wieder durch Paris schlendern. Aber wie schon bei meinem Osterkurzurlaub kam es auch diesmal anders.

Zuerst einmal ging es etwas überraschend los, weil mein gestrichener Urlaub doch plötzlich nicht mehr gestrichen, sondern zu nehmen war. Aber auch längere Vorplanung hätte wohl nicht viel geändert, außer vielleicht, dass ich die gesamten zwei Wochen im Doppelpack hätte verbringen können. Gerne wäre ich zumindest für ein paar Tage zelten gegangen, aber das war zu Beginn meiner Urlaubszeit auf den meisten Zeltplätzen noch nicht möglich. Also machte ich zum ersten Mal Urlaub komplett zu Hause.

Aber ich saß natürlich nicht zwei Wochen zu Hause rum, sondern ich nahm mir all die Tagesausflüge vor, die ich schon lange mal wieder machen wollte. Museen, Innenstädte, Restaurants und Freizeitparks fallen für mich erstmal noch aus und so blieben nur meine Eh-quasi-Lieblingsdraußenbeschäftigungen wandern, Vögel gucken, picknicken. Und gerade dafür bietet Mitteldeutschland glücklicherweise viele Möglichkeiten.

In der ersten Woche erkundete ich u.a. das Hochmoor bei Silberborn im Solling und es zeigte sich einmal mehr, dass ich den Solling mag: unaufgeregt, nicht überlaufen, bodenständig. Und das Hochmoor ist wild-romantisch und sehr interessant. Ich spazierte dort auf Bohlenwegen durch eine Landschaft, die mich mit Wollgras und kleinen Birken sehr an Lappland erinnerte, und mich ein bisschen wehmütig machte. Wann ich dort mal wieder hinkomme? So groß scheint die Welt durch die Pandemie wieder geworden zu sein.

Dem Harz gab ich bei einem Wanderausflug in den Ostharz und einer kleinen Stadterkundung der Weltkulturerbestadt Quedlinburg auch noch mal eine Chance und die wusste der Harz bei schönstem Sonnenschein mit leeren Wegen, verwunschenen Burgruinen und rauschenden Blätterdächern zu nutzen. Hier fühlte ich mich zwischenzeitlich an meine Wanderungen in Nepal rund um Pokhara erinnert und dadurch war dieser Tag wie ein echter kleiner Kurzurlaub. Quedlinburg hingegen hat mich nicht so begeistert. Ob es an der Corona-Leere oder der Stadt selbst lag, bleibt vorerst ungewiss; das leckere Eis am Rathaus hat sich wirklich Mühe gegeben, die Sache noch zu reißen.

Ein weiteres Highlight dieses Urlaubs zu Hause war mein Ausflug zum Leinepolder. Hier traf ich bei ausgedehnten Spaziergängen über die Deiche des Polders nicht nur auf die technischen Bauwerke, die dieses Naturschutzgebiet erst ermöglichen, sondern auch auf Flussuferläufer, Bluthänflinge und Weißstörche. Angeblich immer, nur nicht, wenn ich dabei bin, gibt es hier auch Blaukehlchen und Raubwürger zu besichtigen, die dieses Biotop ebenfalls sehr zu schätzen wissen, aber Graugänse und Stieglitze sind ja auch okay.

In der zweiten Woche traf ich mich mit meiner Mama zum Wandern in der hessisch-niedersächischen Grenzregion um Hann. Münden. Dabei verpassten wir mitten im Wald ganz knapp ein Abenteuer, das an Hänsel und Gretel erinnert hätte, aber durch einen blöden Zufall erreichten wir doch ohne uns zu Verlaufen unser Ziel. In Hann. Münden durfte natürlich auch ein Besuch beim Weserstein auf dem Tanzwerder (wie die kleine Insel zwischen Fulda und Werra heißt) nicht fehlen. Der Weserstein hat zurzeit farbenfrohe Gesellschaft: In einer langen Kette liegen bunt bemalte Steine, die jeden Tag ein paar mehr werden, und für viele Menschen diese schwierigen Tage des Abstandhaltens erhellen.

Nach neun Jahren in Göttingen habe ich es nun auch endlich mal nach Hanstein geschafft (einen Tusch bitte!). Hanstein ist, wie die Generationen vor meiner noch im Heimatkundeunterricht gelernt zu haben scheinen, eine Burg im Dreiländerdreieck Hessen, Thüringen, Niedersachsen. Sie steht auf thüringischer Seite genau an der Grenze zu Hessen und wurde inzwischen sehr schön restauriert. Die Burg allein lohnt schon einen Ausflug. Außerdem kann man in der Umgebung auch wunderbar wandern, zum Beispiel über den Kammweg zur Teufelskanzel, von der aus man auf die Werraschlaufe hinabblicken kann. In den Wäldern bin ich außerdem auf einen der alten Kolonnenwege aus Panzerplatten gestoßen, die früher bei der Patrouille zur Grenzsicherung genutzt wurden. Solche Überreste deutsch-deutscher Geschichte berühren mich immer sehr, weil diese geteilte Welt noch so nah und doch so fern scheint. Dieses Mal erinnerten mich die Grenzreste wieder daran, dass die Freiheit, in der wir heute leben, nicht selbstverständlich ist. Und dass die aktuellen Einschränkungen unserer Freiheiten, auch die Beschränkungen meines Urlaubs, ein harmloses Opfer sind, dass ich gerne bringe, um Menschenleben zu schützen.

Nach zwei Wochen Urlaub zu Hause habe ich das Gefühl, die Zeit gut genutzt zu haben. Ich habe viel gesehen und unternommen, aber wenig erlebt. Es war schön, für ein paar Tage wieder Teil des Heimbüros zu sein und an einem ganz normalen Wochentag mit einem Buch auf dem Balkon sitzen oder um den Kiessee spazieren zu können. Insgesamt fühlten sich die Tage jedoch eher wie ein sehr langes Wochenende an als ein Urlaub und ermöglichten mir kein Abschalten von Arbeit und Alltag. Beim nächsten Urlaub kann ich dann also hoffentlich wieder Koffer packen und zumindest mein Zelt in irgendjemandes Garten aufstellen.



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