Eine Stadt, die einer Möwe ein Denkmal baut, mag ich natürlich aus Prinzip. Ein anderer wichtiger Grund, Valparaíso zu mögen, ist, weil ich hier endlich wieder einmal an einer Mole sitzen und auf Schiffe schauen kann. Und das tue ich ausführlich. Danach gehe ich am Kai zu einem alten Brückenpfeiler, auf dem ich von Weitem Komorane habe sitzen sehen, nur um dann festzustellen, dass ein Stockwerk darunter Seelöwen liegen. Während ich sitze, schaue, staune, ihren Gebrüll zuhöre und mich frage, wie wohl die Möwen mit den roten Ringen um die Augen heißen, die neben den Kormoranen sitzen, segeln plötzlich drei Pelikane dicht über meinen Kopf. Ich stoße ein begeistertes und überraschtes „Ui!“ aus, das die Menschen meiner Umgebung zum Lachen bringt. Ich lache mit. Willkommen in Valparaíso!
Sogar der Himmel ist hier blau. Den Regen habe ich im 101km-entfernten Santiago zurückgelassen, wo die letzten Tage richtiges Schietwetter war. Hier in Valparaíso ist ideales Wanderwetter. Kurz bedaure ich, dass ich morgen kurzentschlossen weiterfliege, statt in den Anden wandern zu gehen, bis mich ein eisiger Wind streift. Nee, doch nicht schlimm. Aber jetzt erst einmal die Stadt mit dem hübschen Namen, in deren Bahngleisen gelb-orange Blumen leuchten.
Nachmittags nehme ich an meiner allererste Stadtführung auf dieser großen Reise teil. Der Stadtführer erzählt, dass die Gründung Valparaísos eher zufällig erfolgte und kein konkretes Datum benannt werden kann. Es war halt einfach plötzlich da. Das ist mir auch sehr sympathisch.
Bis zur Eröffnung des Panamakanals war Valparaíso ein wichtiger, wirtschaftlich starker Hafen. Seitdem ist es wirtschaftlich bergab gegangen mit der einstigen Metropole. Das merkt man auch daran, dass von den ursprünglichen 25 Stadtaufzügen nur noch fünf in Betrieb sind. Und das auswärtige Amt warnt vor der Benutzung von allen. Bei manchen fehlt nur ein einziges Ersatzteil – das seit Jahrzehnten nicht mehr erhältlich ist.
Doch Valparaíso hat sich als Straßenkunst- und Künstlerparadies selbst neu erfunden. Und tatsächlich: Die Hauswände, Treppen, Strommasten der Stadt sind bunt bemalte, besprühte und getaggte Leinwände. Ich bin begeistert.
Die Unesco würdigt mit dem Titel Weltkulturerbe, den sie Valparaíso verliehen hat, aber nicht die Straßenkunst, sondern die alten Wohnhäuser, die auf den Hügeln der Stadt stehen. Auch spielt dabei die Farbe keine Rolle, sondern die Bausubstanz. Die Häuser sind aus Adobe gebaut, dem das Klima hier nicht sehr gut tut. Und so wurde es mit Blech der Schiffsladungen abgedeckt, um es vor Feuchtigkeit zu schützen.
Ich erfahre außerdem, dass Valparaíso in seiner Blütezeit viele chilenische oder gar südamerikanische Premieren feierte: erste Straßenbeleuchtung in Chile, erste protestantische Kirche in Südamerika. Alles was cool, fortschrittlich und modern war, gab es zuerst hier. Das merke ich noch heute: Auch wenn die Stadt der Charme der Vergangenheit umweht, ist Valparaíso hip, sehr hip sogar.