Interview: Heimat

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In Folge meines ersten Weltreisevortrags habe ich im letzten Sommer für eine Abschlussarbeit ein paar Fragen zum Thema „Heimat“ und „Heimat unterwegs auf meiner großen Reise“ beantwortet. Und weil das ziemlich schlaue Fragen waren, darf ich sie hier auch mit meinen Antworten veröffentlichen. Los geht’s:

Wie definierst du Heimat?

Zuhause ist der Ort, an dem jemand lebt, wenn sie/er ihn zu einem Zuhause macht. Heimat ist der Ort, wo man herkommt oder hingehört und den man im Herzen hat.

Was ist deine Heimat?

Meine Heimat ist die Gegend aus der ich komme, in der schon viele Generationen meiner Familie vor mir gelebt haben, in der ich die Namen all der Dörfer rundherum kenne und weiß, wo man am besten spazieren gehen, Schlittenfahren und Schlehen pflücken kann und wo hinter jeder Wegbiegung eine Geschichte lebt.

Was bedeutet für dich „Ankommen“?

Ankommen heißt für mich zufrieden zu sein mit dem Leben, wie ich es gerade führe, weil ich an einem Punkt angekommen bin, der sich vorläufig nicht wieder ändern wird oder soll.

Im Okavangodelta hast du in einem Buschcamp gewohnt. Wie fühlt es sich an, so unmittelbar in der Nähe der Wildnis zu schlafen? Fühlt man sich unsicher?

Ich habe mich nicht unsicher gefühlt. Im Zelt in der Wildnis zu schlafen, war für mich in Botsuana keine neue Erfahrung. Ich war in den letzten Jahren mehrfach auch alleine zum Trekking in Lappland unterwegs. Da habe ich dann tatsächlich tageweise keine anderen Menschen gesehen und in dieser Einsamkeit zu übernachten hat sich – trotz der Abwesenheit von Löwen, die ich nachts im Okavangodelta brüllen hörte – mehr nach Wildnis angefühlt als es die Nacht im Camp getan hat. Im Camp war ich umgeben von 30 anderen Menschen, die teilweise sogar Wache gehalten haben. Das war trotzdem noch eine sehr behütete Wildnis.

War dir zu irgendeinem Zeitpunkt deine Übernachtungssituation unangenehm, so dass du nicht schlafen konntest?

Ich erinnere mich nur an zwei Nächte, die sehr unangenehm waren. Bei der einen Nacht in einem nepalesischen Dorf im Himalaya hatte ich eine Ratte im Zimmer, die wirklich sehr laut war. In der anderen Nacht hatte ich im Norden von Laos ein Hotelzimmer erwischt, das schon lange nicht genutzt und geputzt worden war und dessen Zimmertür nicht richtig schloss. Solche Nächte gehören auf einer großen Reise wohl einfach dazu und sind hinterher gute Abenteuergeschichten. Alles in allem hatte ich großes Glück bei der Wahl meiner Schlafplätze und außer der Ratte keine beißenden Mitbewohner.

Wie hast du dir auf der Reise die Unterkünfte organisiert?

Ich hatte zwei bis drei Buchungs-Apps auf meinem Handy, in denen Unterkünfte gelistet sind. Damit habe ich meist schon einen ungefähren Eindruck davon erhalten, was mich erwartete. Meistens bin ich dann zu den Unterkünften hingefahren ohne vorab zu buchen, um nicht unnötig Geld an diese App-Anbieter abzuführen. Selten habe ich vorab reserviert und auch schon per Kreditkarte bezahlt. In manchen Gegenden haben mir diese Apps nichts genützt, weil keine Unterkünfte gelistet waren. Da habe ich dann die Unterkünfte von außen angeschaut und mir ganz klassisch das Zimmer zeigen lassen. Einmal saß ich während einer Motorradtour durch Gewitter und Erdrutsche in den Bergen von Laos fest. Da bin ich dann bis zum nächsten Dorf zurückgefahren (bzw. gerutscht) und hab die Menschen dort um einen Platz zum Schlafen gebeten. Das war zwar sehr abenteuerlich, hat aber prima geklappt.

Als wie extrem würdest du die Unterschiede der Wohn- und Lebensumstände auf deiner Reise beschreiben?

Menschen auf dieser Welt leben in Strandvillen wie in Australien, in Stadtwohnungen wie in Santiago und in Pappkartons auf dem Mittelstreifen einer zehnspurigen Autobahn wie in Manila. All das habe ich gesehen. Was ich viel extremer fand als die Unterschiede zwischen verschiedenen Ländern, waren die Unterschiede innerhalb eines Landes. Denn auch in Ländern, in denen viele Menschen in Hütten aus Bambus, Wellblech oder Schilfgras ohne Wasseranschluss leben, gibt es Villen und Häuser mit westlichen Standards.

Definiert sich Raum in den verschiedenen Ländern, die du besucht hast, anders als hier in Deutschland?

In den meisten Ländern dieser Welt leben Menschen auf viel kleinerem Raum und mit mehr Menschen zusammen, als wir es hier in Deutschland inzwischen tun. Auch spielt Privatsphäre keine so große Rolle wie bei uns und Menschen rücken einander näher „auf die Pelle“ als bei uns.

In Vietnam habe ich oft in Homestays übernachtet. In meinem Fall waren das häufig Bauernhöfe, in denen ein großer Schlafraum mit Matten für Gäste zur Verfügung steht. Manchmal hat die Familie in einem extra Haus geschlafen, aber häufig waren in diesem Raum mit Holzbrettern und Vorhängen Bereiche für die Familie abgetrennt, in denen drei bis vier Generationen schliefen.

In dem Himalaya-Dorf in Nepal, wo ich eine Weile war, habe ich mich mit einer jungen Lehrerin angefreundet. Sie lebt mit ihren Großeltern in einem kleinen Haus, das nur aus einem Zimmer besteht. In dem Zimmer steht ein Bett, in dem die Großeltern schlafen. Es dient gleichzeitig als Sitzmöbel, wenn es zu kalt oder zu nass ist, um auf den Stufen vor dem Haus zu sitzen. An den Wänden des Zimmers sind Regalbretter angebracht, auf denen hauptsächlich Vorräte stehen. Nachts legt sich die Enkelin eine Matte auf den schmalen Streifen Fußboden neben dem Bett, um dort zu schlafen. Dort schläft dann auch der Rest der Familie, wenn er zu Besuch ist. Neben diesem Zimmer ist draußen noch die Küche angebaut. Beide Räume zusammen passen wahrscheinlich locker in das Kinderzimmer eines durchschnittlichen deutschen Kindes.

Welche Wohn- und Lebensumstände haben dich auf deiner Weltreise am meisten beeindruckt, gefesselt oder manchmal auch abgeschreckt?

Sehr beeindruckt haben mich meine Begegnungen mit Aborigines im Outback Australiens. Dieses Volk wurde durch die Arroganz, Übergriffigkeit und Rücksichtslosigkeit der europäischen Einwanderer entwurzelt und ihrer Lebensgrundlagen beraubt. Ich hatte den Eindruck, dass sie immer noch um ihren Platz in ihrem Land kämpfen und ihre Rolle in einer Gesellschaft finden müssen, in der sie nach wie vor nicht wirklich willkommen sind.

Im Gegenzug dazu habe ich in Ecuador in einem Freilichtmuseum etwas über einen Stamm gelernt, der im Regenwald lebt und keinerlei Kontakt mit der westlichen Zivilisation mehr wünscht. Sie sagen, sie kämen prima alleine klar und da diese Menschen eine ähnlich hohe Lebenserwartung haben wie wir und sich auf diesem Kontinent am allerbesten auskennen, kann ich das getrost glauben und ihre Haltung sehr gut verstehen.



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