Ich habe das unverschämte Glück, in Hanoi in einer tollen Wohnung wohnen zu dürfen, die ich mir unter normalen Umständen bestimmt nicht geleistet hätte. Mir wurde ein Ort geschenkt, an dem ich zum ersten Mal nach 80 Tagen meinen Rucksack auspacken konnte und wo ich so lange bleiben durfte, wie ich wollte. Die schicke Wohnung mit Blick auf den Westsee und die Skyline der Stadt ist meine Homebase in Vietnam geworden, mein Zuhause unterwegs. Von hier breche ich mit leichtem Gepäck für ein paar Tage in alle Himmelsrichtungen auf und kehre immer wieder zurück. Fast wie heimkommen. Ich erkunde die Nachbarschaft, habe ein Stammrestaurant gegenüber, kenne mehrere Heimwege aus der Innenstadt inklusive aller Abkürzungen und den realistischen Taxipreis vom Flughafen.
Beim Aufstehen winke ich zum Haus des europäischen Abgesandten hinab, treffe im Aufzug Botschafter und in der Tiefgarage stehen Diplomatenlimosinen neben dem Pedilac oder dem Moped, mit denen ich durch die Stadt düse. Mir stehen bei Bedarf ein Pool, eine Sauna, ein Dampfbad und ein Fitnessraum zur Verfügung. An der Rezeption gibt es MitarbeiterInnen, an die ich mich mit organisatorischen Fragen wenden kann. Ein ganz anderes Leben auf Zeit.
Hanoi ist eine Metropole mit sehr hoher Luftverschmutzung, viel Verkehr, schmalen, langen Häusern in engen, dunklen Gassen und einer Altstadt voller Touristenshops, Reisebüros und Backpackerhostels. Mein Hanoi ist ganz anders. Es ist hell, grün, luftig und ruhig, weitläufig und selbstbestimmt. Wenn ich mir etwas kochen will, koche ich. Wenn ich barfuß im Bad herumlaufen will, dann mache ich das einfach, ohne mich zu ekeln. Auch an trüben Tagen weiß ich, wann die Sonne wo untergeht und zu welchen Tageszeiten die Zikaden loslegen. Der kleine Gecko in meinem Schlafzimmer heißt Sam und ich habe einen wunderbaren Kaffeeklatsch mit einer Vietnamesin veranstaltet.
In meinen Tagen hier habe ich viel darüber nachgedacht, was Luxus für mich bedeutet. Klar, diese ganze Reise ist ein unfassbarer Luxus: Ich habe die Zeit, die Freiheit und das Geld, um eine Auszeit vom Alltag in Deutschland zu nehmen. Das fühlt sich aber eher wie ein Privileg an, nicht wie Luxus. Nach wie vor fremdele ich mit Bling-bling-Luxus, der protzt und glänzt. Bestimmt ist das meine protestantisch-preußische Erziehung mit Hang zur Bodenständigkeit. Luxus kann für mich nichts Materielles sein, das keinen immanenten Zweck erfüllt, nichts Kaufbares und schon gar nichts Protziges – das finde ich höchstens albern.
Meine Zeit in Hanoi ist Luxus. Das liegt aber nicht am Apartmentservice oder dem Pool. Es ist die Weite, die mir guttut und die ich als luxuriös empfinde. Es ist auch das vorläufige Angekommensein, ein Zuhause zu haben. Es ist meine frei verplan- oder vertrödelbare Zeit, die ich mir hier nehme. Es ist diese schöne Umgebung, in der ich bedingungslos sein darf und die mir einfach geschenkt wird. Es ist Menschen zu kennen, bei denen ich zu Gast sein darf.
Neulich schrieb ich einem Freund, ich hätte mich hier in Hanoi ein bisschen festgetrödelt. Wahrer Luxus ist auch, dass das egal ist. Auch wenn es mir schwerfallen wird, endgültig von hier aufzubrechen, so will ich doch auch weiter irgendwann. Mal sehen, welchen Luxus die Welt mir noch bescheren wird.