Müll und große Freiheit im Mekongdelta

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Auf das Mekongdelta habe ich mich besonders gefreut, hatte ich doch schon so viele Geschichten gehört und Fotos von der Auenlandschaft und grünen Reisfeldern gesehen. Von Saigon aus fuhren Maider und ich also nach Can Tho, quasi die Kreisstadt des Deltas. Unterwegs hatte ich meine traumatische erste Begegnung mit den vietnamesischen Linienliegebussen, die nur für Menschen auf der anderen Seite der magischen 1,72m-Marke bequem sein können.

In Can Tho organisierten wir uns eine private Bootstour für den kommenden Tag. Wie sonst sollten wir das Mekongdelta kennenlernen, wenn nicht vom Fluss aus? Noch vor Sonnenaufgang starteten wir mit einer wackeren Bootsführerin in einem kleinen Holzboot auf den sagenumwobenen Fluss.

Die Menschen hier am Mekong leben noch immer auf, mit und auch vom Fluss. Das Ufer ist gesäumt von Hütten und Häusern auf Stelzen. Wir haben auch Vietnamesen gesehen, die auf Booten wohnen oder zumindest schlafen. Die beiden schwimmenden Märkte, die wir im frühen Morgenlicht besuchten, zeugen von diesem Leben, wird hier doch noch so viel mehr gehandelt als Coladosen und abgepackte Obststückchen für Touristen.

Umso schlimmer, wie es hier an viel zu vielen Stellen aussieht. Die Menschen werfen ihren Müll nicht nur über Bord, sondern auch über die Kaimauer und einfach hinten aus ihren Häusern direkt in den Fluss. Derselbe Fluss, in dem sie Wäsche, Haare und Gemüse waschen, Geschirr spülen und baden übrigens.

Unfassbare sieben Mal mussten wir innerhalb von 20 Minuten in einem sehr verschmutzten Seitenarm anhalten, weil sich mal wieder eine Plastiktüte in der Schraube unseres Motors verheddert hatte. Unsere Bootsführerin musste jedes Mal die Schraube aus dem Wasser holen und mit einer Schere vom Müll befreien. Schien sie aber gar nicht zu stören. Die Plastikfetzen warf sie gutgelaunt einfach wieder in den Fluss. Für den nächsten, der vorbeikommt.

Lange haben Maider und ich darüber geredet, wieso wir in Europa ein Umweltbewusstsein haben und woher das wohl gekommen ist. Kann man Menschen so etwas nur über Verbote und Strafen anerziehen? Muss der Schmerz, den die Verschmutzung erzeugt, erst den Schmerz übersteigen, eine Gewohnheit zu ändern? Wie kann einen dieser Müll nicht stören, besonders wenn man mittendrin wohnt? Trotz aller Theorien blieben wir ratlos.

Und wir schafften es, unsere Fahrt auch zu genießen. Es ist ja nicht überall zugemüllt, oh nein, aber es ist schon erstaunlich, dass wir wohl auch abstumpfen. Oder zumindest diesen Aspekt in eine Schublade legen können, die sich schließen lässt. Die Sonne schien und wir fuhren durch stille, einsame Seitenarme des Mekongs. Also still, weil das Wasser so flach war, dass unsere Bootsführerin den Motor abstellen und uns rudern musste. Wir konnten sogar die Vögel zwitschern hören.

Nachmittags trennten sich unsere Wege: Maider wollte wieder nach Norden reisen, ich lieh mir ein Motorrad, um das Delta von Land aus zu erkunden. Aber erstmal durch den vietnamesischen Stadtverkehr. Na gut, provinzieller vietnamesischer Stadtverkehr, aber meine Übungsstunden in Thailand machten sich bezahlt: meine deutschen Vorstellungen von Verkehrsregeln verabschieden sich langsam und vor allem habe ich keine Angst.

Als ich es endlich aus der Stadt geschafft hatte, war ich sofort zwischen Feldern, Obstbäumen und Lotusseen. Ich düste durch kleine Dörfer und am Fluss entlang. Die Nachmittagssonne schien golden vom blauen Himmel, der aber plötzlich immer dunkler wurde. Als es anfing zu schütten, stellte ich mich unter und sah der Welt beim Nasswerden zu. Und merkte, dass ich zum ersten Mal in Vietnam so richtig superplatzeglücklich war.



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