An unserem letzten Wandertag in den Blue Mountains wollten wir es etwas ruhiger angehen lassen. Am Tag zuvor hatten wir eine ziemlich knackige Canyonwanderung gemacht, bei der wir viele, viele steile Stufen hinab- und hinaufgestiegen waren. Das hatte sich zwar auf jeden Fall gelohnt, aber danach hatten wir uns ein bisschen Erholung verdient. Wir wollten oben auf der Kliffkante entlangspazieren, ein bisschen in die Gegend schauen und vor allem keine Treppenungeheuer mehr bezwingen.
Das klappte auch ziemlich lange ziemlich gut. Wir schlenderten eher, als dass wir wanderten, machten ein paar Mal Pause und genossen die schöne Aussicht, kehrten zum Kaffeetrinken ein, begegneten einem Prachtleierschwanz, lauschten den Vögeln und den Wasserfällen und ließen es uns gutgehen. Ehrlich gesagt, waren wir wohl die lahmste Wandergruppe der Welt, aber das war ja egal. Gegen vier Uhr entschieden wir, dass wir in den verbleibenden eineinhalb Stunden bis zum Sonnenuntergang wenigstens noch zu den Kaskaden gehen würden, die nicht mehr sehr weit waren, um danach eine Abkürzung zurück zum Ort direkt zu einem frühen Abendessen zu nehmen. Und dann stolperten wir unverhofft in ein Abenteuer.
Es fing sehr harmlos an, nämlich mit einer Wegkreuzung, an der wir uns weder für den linken Weg hinauf zur Straße, noch für den rechten steil hinunter in den Canyon („nur für erfahrene, gut ausgerüstete Wanderer*innen“), sondern für den entspannten Weg gradeaus entschieden, denn der sollte laut Karte direkt zu unserem Ziel führen, den Kaskaden. 500 Meter weiter war dieser Weg allerdings gesperrt. Durch Schnee, Regen, Matschrutsch und Baumschlag war er unpassierbar geworden. Eine Umleitung war auf einem Zettel in Klarsichtfolie angegeben: Zurück zur Kreuzung und den Weg hinab gehen und dann bei der nächsten Gelegenheit wieder links abbiegen. Klang ja ganz leicht. War es dann aber leider nicht.
Wir stiegen über Wurzeln und ausgewaschene Tritte den Berg hinab, nur um dann auf einen Pfad abzubiegen, der ebenfalls von Wasser um- und überspült war. Zwischendurch hielten wir uns an Ästen und Baumstämmen fest oder setzten uns auf den Hosenboden, um die schwierigsten Abschnitte zu passieren. Dazu schwand das Tageslicht immer schneller und mein Handy hatte nur eine ungefähre Vorstellung davon, wo wir eigentlich waren und wohin dieser Weg führen würde. Einem Mitglied unserer Reisegruppe ging dabei der Hintern auf Grundeis, eins hatte ein schlechtes Gewissen und eins hielt das alles für ein wunderbares Abenteuer. Und nein, ich war nicht die mit dem Abenteuer.
Viel schneller als befürchtet kamen wir dann zu einer Aussichtsplattform. Von der aus hatten wir einen großartigen Blick auf einen Wasserfall. Und andere Menschen sahen wir auch plötzlich wieder. Über eine steile, aber wunderbar matschfreie Metalltreppe stiegen wir ganz zivilisiert hinab zu den Kaskaden.
2/3 unserer Reisegruppe saß der Schreck zwar noch etwas in den Gliedern, aber den liefen wir uns beim entspannten Aufstieg an den fröhlich gluckernden Kaskaden entlang wieder aus den Beinen. Wir erreichten die Waldgrenze pünktlich zum Sonnenuntergangshimmel und konnten schon längst wieder lachen.
Der süffisante Eintrag in unserem Reisetagebuch fasst das Ende unseres Wandertags so zusammen: „Das war ein abenteuerlicher Weg. Ja, wenn man mit der Abenteuerlichen unterwegs ist, kann das passieren.“ Tja, was soll ich sagen? So ist das wohl.
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