Sydney, die Kulturhauptstadt Australiens, hat viele Museen, Theater und nicht zu vergessen: die Oper. Ausgerechnet in dem Monat, in dem ich in Sydney war, spielten sie im Capitol-Theater „My fair Lady“, quasi die Wiederholung der Jubiläumsausgabe zum 60. Jahrestag der Erstaufführung 19956. Das konnte ich mir doch nicht entgehen lassen! Ich besorgte mir spontan eine Karte für denselben Abend, flitzte ins Hotel, um mein Poloshirt und meinen Lippenstift zum Einsatz zu bringen, und fieberte der Vorstellung entgegen.
Zuerst war auch alles ganz loverly und wunderscheen: tolle Kostüme, großartiges Bühnenbild, ein Orchester im Orchestergraben, die Lieder, die ich seit meiner Jugend mag, ein stilvoller Theatersaal. Ich schwelgte in meiner Begeisterung, lachte, lauschte verzückt den Akzenten, summte bei den ersten Liedern innerlich mit, wippte mit den Zehen – und dann kam ich raus.
Mir fiel auf, dass es die SchauspielerInnen nicht schafften, nein: gar keine Anstalten machten, miteinander zu interagieren. Sie sagten ihre Texte auf und warteten auf ihren nächsten Einsatz. Wenn sie grade nicht dran waren, standen sie da halt so rum auf dieser großen, schönen Bühne. Keine Spannung, kein Spielwitz, kein Knistern, keine Beziehungen, keine Dynamik. Und nein: Das ist nicht zu viel verlangt, auch nicht bei einem Musical.
Ich erinnere mich, dass es mir bei den Broadway-Shows, die ich in New York gesehen habe, ähnlich ging. Zuerst begeisterte mich die pompöse Ausstattung und dann merkte ich, dass jeder Schauspieler sein eigenes Ding durchzog, Liebe und Leidenschaft fehlten. Es war eben eine Show, keine Theateraufführung. Und nachher noch eine und morgen wieder drei. Hauptsache volles Haus.
Auch das Publikum in Sydney war anstrengend (wenn auch besser angezogen als ein durchschnittlicher Broadwaybesucher). Hatte man mir beim Kartenkauf noch gesagt, ich müsse bitte pünktlich sein, weil sonst die Türen geschlossen werden, war davon nichts mehr zu merken. Fröhlich plappernd kamen und gingen Leute die gesamte Vorstellung über. Sie bekamen dazu sogar noch vom Platzeinweiser geleuchtet. Immer, wenn ich mir mühsam das Stück auf der Bühne zurückerobert hatte, schlenderte wieder jemand durchs Bild. Und dabei saß ich im vorderen Drittel Parkett.
In der Pause wurden dann lautstark Booklets, Tassen, Fächer, Kulis und andere „wunderscheene“ Souvenirs angepriesen. Das passt ins Bild. Kultur als normales kapitalistisches Konsumgut also, bei dem bei aller Professionalität und Profitorientierung die Spielfreude auf der Strecke bleibt? Nee, macht mir keinen Spaß. Dann doch lieber leidenschaftliches Amateurtheater in der mitteldeutschen Provinz.
Sonja
Es lebe das ThOP! ❤️
Manchmal muss man um die Welt reisen, um die schönen kleinen Dinge wertschätzen zu können… 😉
die abenteuerliche
Ja, ans ThOP habe ich dabei wirklich auch gedacht, aber nicht nur 😉 Wird Zeit, dass wir da mal zusammen hingehen. Oder ins Theater der Nacht – das steht ja auf meiner Gö-Do-Liste …
Nicki
Ich denke an die Waldbühne Niederelsungen. Da musste man sich einfach verlieben. =) Das war wirklich einfach mit unglaublich viel Herzblut. „Wäre dat nich wunderscheen?“
die abenteuerliche
Wunderscheen! Ja, das war es wirklich. Und dann auch noch in bester Gesellschaft.