Warum ich keine Angst habe, alleine zu reisen

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Eine meiner Freundinnen hat mir eine E-Mail weitergeleitet, die mich daran erinnert, dass wir uns jeden Tag unsere eigene Geschichte erzählen. Wir sind das, wozu uns unsere Gedanken gemacht haben. Da ich direkt danach eine kleine Sonnenaufgangswanderung durch das Outback gemacht habe, hatte ich viel Zeit darüber nachzudenken. Dieser Gedanke passte auch gut zu einer Frage, die ich mir die Tage vorher schon gestellt hatte, nachdem mir mal wieder jemand gesagt hatte, wie mutig ich sei: Wieso habe ich keine Angst vor dieser Welt, wo doch so viele andere Angst zu haben scheinen?

„Nur Dummköpfe haben keine Angst.“ Sagt man. Es gibt Situationen und Umstände, in denen das zutrifft, in denen Angst ein Zeichen dafür ist, nicht naiv zu sein. In den allermeisten Fällen unseres normalen westlich-behüteten Alltags ist Angst aber nicht nur ein schlechter Ratgeber, sondern auch überflüssig. Nachts wachzuliegen und Angst vor dem zu haben, was kommt, ist extrem lästige und überflüssige Zeit- und Schlafverschwendung.

Vor einem gefürchteten Ereignis kann man höchstens semi-panisches Was-wäre-Wenn spielen. Vielleicht ist es gut, sich zumindest über mögliche Konsequenzen im Klaren zu sein, aber die Realität ist dann doch ganz anders und nicht durch Vorabängste beeinflussbar. In dem Moment, in dem das, was man befürchtet hat, tatsächlich eintritt, hat man keine Angst mehr und merkt, dass die Angst nichts, aber auch gar nichts geändert hat – außer dass sie uns Schlaf und Nerven gekostet hat.

Ich habe keine Angst vor der Welt. Oder habe ich mir diese Geschichte einfach nur so lange erzählt, bis sie wahr geworden ist?

Als Fünfzehnjährige flog ich alleine nach Mississippi, weil meine Mutter mir das zutraute. Ob ich das tatsachlich konnte, habe ich deshalb selbst nie in Frage gestellt. Es war überhaupt erst die zweite Flugreise meines Lebens. Ich erinnere mich daran, dass mein Anschlussflug in Atlanta ziemliche Verspätung hatte, ich aber die Durchsagen nicht verstand und befürchtete, am falschen Gate zu sitzen und zurückgelassen zu werden. Der gestressten Airline-Dame muss ich mächtig auf den Keks gegangen sein, mit meiner Nachfrage und dem vehementen Hinhalten meines Tickets, zumal ich auch aus ihrer ungeduldigen Südstaaten-Antwort nicht wirklich schlau wurde. So musste ich darauf vertrauen, dass sie mein Anliegen verstanden hatte und wartete ab.

Irgendwann saß ich dann doch im richtigen Flieger und kam an meinem Ziel an. Diese Feuertaufe hatte ich bestanden. Warum hätte ich danach noch bezweifelt sollen, alleine reisen zu können? Mit jedem weiteren Mal wurde ich nur sicherer, dass Reisen nichts ist, wovor ich Angst haben muss.

Die größten Freuden des Lebens, das wahre Glück, liegen auf der anderen Seite unserer Angst, jenseits der Grenzen unserer Komfortzone. Inzwischen lebe ich wohl den Mythos, den ich mir selbst geschaffen habe, und die Geschichten, die ich mir über mich selbst erzähle, sind wahr geworden. Vielleicht bin ich auch deshalb in Extremsituationen so ruhig geblieben, weil die Abenteuerliche das halt so macht. Ich bin das Reisetalent, die Abenteuerliche, die Weltentdeckerin, weil ich es sein wollte. Und erstaunlicher Weise bin ich verdammt gut darin.



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