Kambodscha – oder besser: die Kambodschaner – haben mich in der letzten Woche durch eine Gefühlsachterbahn gejagd: erst der super Start in Battambang mit seinen unaufdringlichen, freundlich-winkenden Bewohnern – und dann der erste Ausflug am nächsten Tag, bei dem plötzlich Selbstverständlichkeiten extra kosteten. So ging es weiter: ein schönes Land, günstige Unterkünfte, alle Preise in runden Dollarbeträgen und immer dieses Gefühl, dass ich hier grade abgezockt werde und nur ein Portmonee auf zwei Beinen bin.
Mir ist bewusst, dass ich als Tourist nur mit einem bestimmten Teil der Bevölkerung in Kontakt komme. Das sind Fahrer und Hotelangestellte, Restaurantbedienstete und Ticketkontrolleure. Das sind viele Männer. Das sind nicht DIE Kambodschaner. Es gibt auch noch Manager, Büroangestellte, Intellektuelle, Business-Menschen, Bauern, viele Fabrikangestellte und all die neugierigen, wild-winkenden Kinder. Ich frage mich, wie „die Deutschen“ Touristen begegnen und wünsche mir, wir sind ab sofort noch netter zu all den fremdaussehenden Menschen, die mit einer Karte in der Hand durch unsere Heimatstädte irren. In Kontakt mit Fremden ist jede und jeder BotschafterIn des eigenen Landes.
Schwer zu kämpfen hatte ich hier noch mit dem kambodschanischen Versuch, mich in ein starres Touristenkorsett zu zwingen und mich durch TukTuk-Fahrer und Mietmotorradverbot in meiner Freiheit einzuschränken. Wie anders war meine Freiheit bei meinen Entdeckungen in Myanmar. Erst als ich mir mit einem quietschenden Leihfahrrad Angkor für mich eroberte, machte ich meinen Frieden mit diesem System.
Und dann besuchte ich die Killing Fields, eine der Gedenkstätten für die Millionen Kambodschaner, die auf grausamste Weise durch die Rote Khmer getötet wurden. Diese Gesellschaft wurde in wenigen Jahren zerrissen, zerstört. In der grausamen Zeit war Überleben ein Kampf. Jede Kambodschanerin und jeder Kambodschaner, der oder die heute über 40 sind, haben das Grauen irgendwie überlebt, hier im Land, im Exil, als Unterdrücker, Mitläufer, Unterdrückter. Auch die Nachgeborenen tragen diese Last, dieses Trauma mit. Und die Vergangenheit ist noch nicht aufgearbeitet, weder juristisch noch gesellschaftlich. Wie soll das auch gehen, in so kurzer Zeit? Was das auf persönlicher Ebene bedeutet, vermag ich nur zu raten. Ob es Misstrauen untereinander gibt? Wie leben die Menschen mit dieser gemeinsamen Vergangenheit, in der so viel vernichtet wurde, zusammen weiter?
Erkenntnisse wie diese gewinnt man nicht aus der Vorab-Lektüre eines Reiseführers. Vielleicht werde ich mich noch einmal an dieses Land wagen, einen neuen Versuch starten und mit dem Verständnis, das ich am Ende meiner Reise hatte, Kambodscha und vor allem seine Bewohner noch einmal kennenlernen. Anders sehen. Anders hinsehen. Andere Wege gehen. Für heute aber reise ich erst einmal weiter.